Amazfit Helio Strap im Test – Displayloses Wearable mit sportlichen Ambitionen
Mit dem Amazfit Helio Strap hat Zepp das zweite Produkt seiner Helio-Serie vorgestellt. Wie sich das knapp 100 Euro teure und displaylose Armband in den letzten Wochen der Nutzung geschlagen hat, könnt ihr in diesem Testbericht nachlesen.
Unter der Marke „Amazfit“ hat das chinesische Unternehmen Zepp in den letzten Jahren zahlreiche Sportuhren und Smartwatches mit sportlichem Flair auf den Markt gebracht. Neben einem breiten Angebot an Funktionen, die den Alltag adressieren, bieten die Uhren viele Funktionen und Metriken für den Sport, die bei der Konkurrenz nur in oftmals deutlich teureren Modellen zu finden sind.
Helio Strap – Erster Eindruck
Der Helio Strap unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von den Fitness Trackern und Sportuhren am Markt. Das deutlichste Merkmal ist das Fehlen eines Displays, denn der Helio Strap besteht im Wesentlichen aus der Sensor-Einheit und einem textilen Nylon-Armband, das per Klettverschluss geschlossen wird.
Damit reiht sich der Helio Strap in eine Gruppe von Wearables ein, die mitunter vom Whoop begründet und über Jahre angeführt wurde, in letzter Zeit jedoch Zuwendung durch andere Hersteller erfährt. Das von Polar für Anfang September angekündigte Produkt (ebenfalls ohne Display) dürfte in dieselbe Kategorie fallen.
Flexibles Klettarmband
Zurück zum Helio Strap: Das Armband hat eine Länge von 26 cm. Für mein Empfinden hätte es gerne ein wenig länger ausfallen dürfen. An Handgelenken mit größerem Umfang könnte die Länge schon recht knapp bemessen sein. Die Möglichkeit den Helio Strap am Oberarm zu tragen (wie es z.B. der Polar Verity Sense oder Scosche Rhythm anbieten) scheidet aufgrund der Kürze des mitgelieferten Armbands aus. Ein längeres Ersatzarmband soll offenbar noch in diesem Sommer folgen.
Wer es vorab schon ausprobieren mag: Das Armband bietet eine Standardbreite von 20 mm und kann dank eines Quick-Release-Mechanisum mit Federsteg gegen fast jedes Armband ausgetauchst werden.
Neben der Länge des Armbands fällt die kleine Klett-Fläche auf, die im Zusammenspiel mit einem trockenen Armband gute Dienste verrichtet, bei einem feuchten Armband aber weniger gut hält.
Rückseitig ist der PPG-Sensor verbaut, der optisch den Anschein erweckt, dass es sich um den gleichen Sensor handelt, der auch in der Balance 2 verbaut ist.
Ansonsten ist das schwarze Wearable ein stiller Begleiter im Alltag – optisch wie auch Aufmerksamkeit erhaschend.
USB-Ladeschale
Geladen wird der Helio Strap über eine kleine, magnetische Ladeschale – die vielleicht kleinste, die mir bisher begegnet ist. Das notwendige USB-C-Ladekabel legt Amazfit nicht bei. Gemessen an den vielen Kabeln, die mittlerweile meinen und den Haushalt vieler bereichern, ist das kein Problem.
Wenn wir schon beim Laden sind: Der Akku soll laut Hersteller den Helio Strap bis zu 10 Tagen mit Energie versorgen. Das Versprechen scheint im Alltag auch gehalten werden. Da ich aber jemand bin, der einen Akku niw wirklich richtig leer laufen lässt, geht der Strap auch schon mal nach acht oder neun Tagen an die Steckdose – je nachdem, wie es gerade gut in den Tag passt.
Last but not least, der Helio Strap ist mit 20 Gramm (inklusive Armband) ein Leichtgewicht und damit noch einmal 8 Gramm leichter als das Whoop Band, das Amazfit als wesentlichen Konkurrenten ausgemacht haben dürfte.
Tragekomfort
Das weiche und leichte Armband lassen den Helio Strap im Alltag weitestgehend vergessen. Da mag auch das Fehlen des Displays seinen Anteil zu beitragen. Gleichzeitig zieht er damit aber das Interesse vieler auf sich, die nachfragen, was es denn mit dem Armband auf sich hat – so ganz ohne Display und Knöpfe.
Die Interaktion mit dem Helio Strap beschränkt sich auf das doppelte Antippen, der die Vibration des kleinen verbauten Motors stoppt, wenn man sich einmal einen Alarm bemerkbar macht.
Ein bisschen mehr Bumms hätte der Vibrationsmotor gerne bieten können, dafür ist er jedoch fast unhörbar.
Funktionsumfang des Helio Strap
Der Helio Strap ist ein stiller Datensammler, der tags wie nachts sein Werk verrichtet und dafür vor allem auf die Daten des PPG- und des Bewegungssensors zurückgreift. Dabei ermittelt Daten, wie sie in vielen Produkten von Amazfit erhoben werden:
- Herzfrequenz
- Herzfrequenzvaribilität
- Blutsauerstoffsättigung
- Schlafdauer und -phasen (inkl. Nickerchen)
- Risikoeinschätzung Schlafapnoe
- Atemfrequenz / Atmungsqualität
- Stress
Darüber hinaus und im Folgenden näher beschrieben, erfässt der Helio Strap auch Metriken, die eher dem Sport als einem aktiven Lifestyle zuzuschreiben sind:
- PAI
- Biocharge
- Anstrengung
- Ermüdungsgrad
- Fitnesslevel
Gänzlich neu ist die Biocharge-Metrik, die den bestehenden Bereitschaft-Score ablöst, in manchen bestehenden Produkten (z.B. Balance 2) noch ablösen wird.
BioCharge
Im Wesentlichen zeigt der Biocharge-Wert, wie viel Leistung euch am aktuellen Tag zum Abrufen noch zur Verfügung steht. Der Wert leitet sich aus den Anstrengungen und Erholungen der letzten Tage ab und ähnelt damit stark dem Konzept der „Body Battery“, das Garmin bereits seit ein paar Jahren auf seinen Uhren anbietet.
In der Regel startet man nach dem Aufwachen mit dem höchsten Wert in den Tag. Je nach Belastung sinkt der Wert im Laufe des Tages mal schneller, mal langsamer. Nur beim Schlafen scheint sich der Wert zu erhöhen. Dabei ist es egal, ob es sich um den nächtlichen Schlaf oder eine Pause am Nachmittag handelt.
Die Daten sind umfangreich und gut aufbereitet.
Anstrengung
Um das Konzept der Anstrengung zu verstehen, zäumen wir das Pferd am besten von hinten auf: Jeden Tag ermittelt Zepp ein Anstrengungsziel, das mitunter auf dem Biocharge- bzw. Bereitschaftswert, dem aktuellen Trainingsstatus und einem möglichen Training im Rahmen eines Zepp-Trainingsplans basiert.
Um dieses Anstrengungsziel zu erreichen, braucht es Momente erhöhter Herzfrequenz. Das kann im Rahmen sportlicher Aktivitäten, aber auch beim Hausputz, beim Spurt zur Bushaltestelle oder beim Familienstreit sein.
Diese Belastung zahlt also auf das Anstrengungsziel ein. Die Anstrengung in Prozent gibt den Grad der Zielerreichung an.
Dass Zepp den Wert bei 100% deckelt mag zunächst irritieren, denn die Anstrengung mag in Bezug auf das Anstrengungsziel ja übererfüllt sein. Zepp beschreibt diese Umstand aber deutlich in der App und weist darauf hin, dass die Übererfüllung im Training-Status abgebildet wird.
Ermüdungsgrad und Fitnesslevel
Viele Hersteller bieten Metriken, die Auskunft über die kurz- und langfristigen Trainingsbelastungen geben. Insbesondere bei der Eindeutschung der Apps tauchen dann Begriffe auf, die die Funktionen des einen oder anderen Herstellers gänzlich neu erscheinen lassen. Bei Amazfit tragen diese Konzepte gerade den Namen „Ermüdungsgrad“ und „Fitnesslevel“, dabei handelt es sich aber um die in der Fachwelt bekannten Größen
- CTL – Chronic Training Load
- ATL – Acute Training Load
- TSB – Training Stress Balance
Die Chronic Training Load (CTL) gibt Auskunft über die Trainingsbelastung der letzten 42 Tage. Analog funktioniert die Acute Training Load (ATL), allerdings mit dem Unterschied, dass nur die letzten 7 Tagen berücksichtigt werden.
Im Grunde erhält man so Auskunft über die Fitness (CTL), eben weil sie sich über einen längeren Zeitraum erstreckt und die Ermüdung (ATL), weil die Trainingsbelastung über einen deutlich kürzeren Zeitraum in die Metrik eingeht.
Die Training Stress Balance (TSB) beschreibt dann die Differenz zwischen langfristiger und kurzfristiger Belastung. Positive Werte geben an, dass die Trainingsbelastung im Vergleich zum Niveau der letzten 42 Tage geringer ist. Mäßig negative Werte (-30 <= TSB <= -5) indizieren eine optimale Trainingsbelastung, die für die Entwicklung der Gesamtfitness förderlich ist, wohingegen kleine Werte auf eine relative Überbelastung, einhergehend mit einem höheren Verletzungsrisiko hinweisen.
PAI
Zu guter Letzt gehört der Personal Activity Index (PAI) zu einem Alleinstellungsmerkmalen von Zepp. In diese Metrik fließen wie bei der Anstrengung alle Aktivitäten mit erhöhtem Puls ein. Das mögen sportlichen Aktivitäten oder der Hausputz sein.
Laut der HUNT Fitness-Studie reduziert ein steter Wert von mind. 100 die Risiken kardiovaskulärer Erkrankungen.
Die ersten Punkte sind in der Regel schnell verdient, für das Erreichen der 100 Punkte braucht es schon sportliche Anstrengung. Höhere Punktzahlen erfordern zunehmen mehr Anstrengung.
Damit das ganze System funktioniert, verfallen gesammelte Punkte nach sieben Tagen und müssen erneut „verdient“ werden.
Amazfit Helio beim Sport
Wie sich das Helio-Armband beim Sport schlägt, werde ich euch nachliefern müssen. Eine Knieverletzung lässt gerade keinen Sport zu und bis da nicht Sicherheit herrscht, halte ich mich zurück.
Ungeachtet der Sportpause unterstützt das Armband aber zwei Modus für die Aufzeichnung von sportlichen Aktivitäten:
- manueller Modus
- automatische Erkennung
Beides recht unspannende Themen, wenn der automatische Modus in einem anderen Testbericht nicht so schlecht abgeschnitten hätte. Was war passiert? Die automatische Erkennung meinte sportliche Aktivitäten erkannt zu haben, wo keine waren. In Folge war die eigene Trainingshistorie und mitunter die Push-Nachrichten des Smartphone mit dubiosen Einträgen geflutet.
Um es ganz deutlich zu sagen: Mir ist im Test davon nichts begegnet. Die Empfindlichkeit der Erkennung lässt sich in drei Stufen regeln und selbst auf der empfindlichsten Stufen sind keine Aktivitäten erkannt worden, die es nicht gab. Möglich, dass ein Vorserien-Modell im Test war, denn die Beobachtungen sind ja nicht ausgedacht. Ich kann jedenfalls für mein Modell Entwarnung geben.
Wer sich auf die automatische Erkennung nicht verlassen möchte, der steuert die Aufzeichnung über die Zepp App.
Hinweis: Die Auswertungen zur Genauigkeit der Herzfrequenzmessung liefere ich so schnell wie möglich nach, wenn das Knie sinnvollen Sport wieder zulässt.
Ergebnis des Amazfit Helio Strap Tests
- keine Ablenkung
- schmales Profil
- zahlreiche Sport-Metriken
- kein Abo-Modell
- schwacher Vibrationsmotor
- kurzes Armband
Ein kleines, aber feines Wearable hat Zepp mit dem Amazfit Helio auf den Markt geworfen. Natürlich orientiert sich der Funktionsumfang an bestehenden Produkten, bringt mit der BioCharge-Metrik eine Neuerung mit, so dass das Angebot an Funktionen und Metriken unterm Strich sehr solide ist.
Das Helio-Armband ist deutlich mehr ein Sammler von Vital- und Fitnessdaten, weniger der smarte Begleiter der Funktionen in der Breite und für den Alltag anbietet. Dafür ist er mit 99 € auch deutlich günstiger, fast schon verführerisch günstig, wenn man daran denkt, dass man sich in ein gesundes Ökosystem einkauft und keine Folgekosten, wie beim Whoop berücksichtigen muss.
Gleichzeitig ist der Amazfit Helio auch kein echter Whoop-Konkurrent, weil Zepp mit der Fokussierung auf BioCharge, Schlaf und Anstrengung den Kern-Konzepten von Whoop aus den Weg geht. Zudem hat der Whoop ein paar Metriken im Angebot (u.a. EKG, Zyklus- und Blutdruck-Tracking), die dem Amazfit Helio fehlen. Dafür bezahlt man aber auch mind. 199 € pro Jahr, für EKG- und Blutdruckdaten sogar 399 € pro Jahr.
Für alle, die ein Wearable suchen, dass im Alltag nicht die Aufmerksamkeit auf sich zieht und ablenkt und vor allem Trainings- und Erholungsdaten im Auge hat, dem sei der Amazfit Helio Strap ans Herz gelegt.
Offenlegung / Werbung: Das Produkt wurde mir auf meine Anfrage hin für den Test der/des Amazfit Helio Strap von Zepp kostenlos zur Verfügung gestellt. An den Inhalt des Testberichts wurden keine Bedingungen geknüpft. Der Inhalt des Testberichts spiegelt somit vollständig meine eigene, unvoreingenommene Meinung und Erfahrung mit dem Produkt wider.
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